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Wie Hotels mit Wellness-Siegeln tricksen – Well-Nepp mit gekauften Plaketten

(Hamburg, 03. April 2014) Mehr als 1.000 Hotels werben in Deutschland mit Wellness, über 50 Siegel versprechen geprüfte Qualität. Doch was kann der Hotelgast erwarten? Der Begriff “Wellness” ist nicht geschützt – oft wird Wellness zum “Wellnepp”. Sehen Sie dazu eine Reportage bei HOTELIER TV: http://www.hoteliertv.net/wellness-fitness/wie-hotels-mit-wellness-siegeln-tricksen-well-nepp-mit-gekauften-plaketten/

Nepp mit wellness-Siegeln: Etliche Plaketten werden ohne vorherigen Hotel-Check verkauft
Nepp mit wellness-Siegeln: Etliche Plaketten werden ohne vorherigen Hotel-Check verkauft

Wellness boomt. Und die Reisenden haben ganz konkrete Vorstellungen, wie ihr Wellness Hotel aussehen soll: “Wellness heißt, sich zu entspannen, sich die Zeit zu nehmen, für gute Behandlungen um einfach wieder neue Kraft zu tanken”, meinen Verbraucher. Stimmt denn immer alles? Im Internet suchen wir gezielt nach Häusern, die sich selbst Wellness–Hotel nennen und damit werben. Wir drehen versteckt.

Hinter dem schönen Versprechen kann die Realität aber auch so aussehen: Die Saunalandschaft so groß wie ein Kleiderschrank, der Ruheraum kalt und ungemütlich, die Fitnessräume veraltet und die Poollandschaft Marke Eigenbau. Und wenn Wellness draufsteht, kann man auch mehr fürs Zimmer nehmen. Das Doppelzimmer im hessischen Vogelsbergkreis kostet 80 Euro. Wir finden eine glatte Mogelpackung: Dieses Hotel hat überhaupt keinen Wellness Bereich, sondern schickt uns 17 Kilometer weiter in eine öffentliche Therme mitten im Industriegebiet. Können wir in Hotels, die mit einem Wellness–Siegel, also geprüfter Qualität werben, mehr erwarten? Verbraucher meinen ja: “Man wurde ja getestet, sag ich jetzt einfach mal, und die Anforderungen sind sehr hoch. Da macht das wahrscheinlich schon Sinn, dass ein Hotel das hat und ausgezeichnet ist, dass es besondere Qualitäten hat.” Zertifikate sind also gefragt. Und die gibt es reichlich. In Deutschland mehr als 53. Dieses zum Beispiel verspricht: “(Mit unseren Bewertungen) erreicht nur eine erlesene Auswahl exklusiver Hotels den Wellness-Himmel.”

Die Stiftung Warentesthat sich unlängst intensiv mit diesem Thema befasst und die 53 Siegel auf ihre Tauglichkeit getestet. Das Fazit: In der überwiegenden Mehrzahl taugen sie wenig. Die wenigsten Siegel lösten ihre Versprechungen ein, heißt es Im Oktoberheft 2013 der Stiftung Warentest. “Von 53 geprüften Siegeln sind nur neun wirklich hilfreich, vier davon gelten für Medical-Einrichtungen.” Dort begleitet medizinisches Fachpersonal das Wellness-Programm. Der wesentliche Kritikpunkt für die Tester der Stiftung Warentest ist folgender: “Viele Siegelaussteller stellen nur geringe Anforderungen an Ausstattung und Mitarbeiter.” Außerdem prüften einige nicht kritisch, ob die von ihnen aufgestellten Bedingungen erfüllt würden, sondern verließen sich nur auf Zusagen.

Willkommen im Wellness-Himmel
So sieht der Wellness Himmel in diesem Vier-Sterne-Hotel aus: Statt Schwimmbad ein verschlossener Whirpool, eine Mini Sauna, und die einzige Dusche mit Schimmel. Die Übernachtung mit Wellness Angebot kostet auf dem Land 180 Euro im Doppelzimmer. Oder dieses Vier-Sterne-Hotel, ein anderes Siegel mit diesem Versprechen: “Es bestehen keine störenden Außen- oder Innengeräusche (…), die den Nachtschlaf erschweren.”

Die Realität: Das Stadthotel im Rheinland liegt direkt an der Bundesstraße, unter unserem Zimmer ist ein öffentlicher Parkplatz und Güterverkehr. Der Wellness-Bereich im Keller ist klein, ungepflegt und gefährlich dazu. Die Fliesen sind spiegelglatt und teilweise kaputt. Der stolze Preis in diesem Wellness – Hotel 180 Euro pro Nacht im Doppelzimmer.

Wie kann es sein dass diese Hotels überhaupt ausgezeichnet sind? Wie leicht kommt man an ein Wellness-Siegel? Das wollen wir herausfinden. Dabei hilft uns Regina Knebel. Ihr Drei-Sterne-Hotel im hessischen Bad Wildungen hat einen 30 Quadratmeter großen Entspannungs-Bereich. Er besteht aus einem Whirlpool und einer kleinen Sauna. Ohne uns wäre sie nie auf die Idee gekommen sich Wellness Hotel zu nennen, geschweige denn mit einem Siegel zu werben: “Ich möchte keine negativen Erwartungen provozieren, weil die Gäste denken, wenn man groß mit Wellness wirbt, dass da dann eine große Wellness-Landschaft und Pool mit bei ist, und man kann sich den ganzen Tag super drin aufhalten. Aber leider kann ich das nicht bieten, dafür bin ich zu klein.”

Die Hotelbetreiber macht den Test. Sie schreibt zehn Anbieter von Wellness-Siegeln an und gibt vor, Interesse an einem Siegel für ihr kleines Hotel zu haben. Die Hotelbesitzerin erklärt: “Eigentlich erwarte ich, dass die auf meiner Internetseite nachsehen, weil sie ja meine Adresse haben, sich bisschen vorab informieren und dann sagen, das Haus ist einfach zu klein und das kann kein großartiges Wellness anbieten. Also ich erwarte nicht, dass irgendein Siegel dabei rumkommt, ganz ehrlich.”

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